Halit Yozgat

Halit Yozgat war das neunte und jüngste Opfer der rechtsterroristischen Mordserie des sogenannten NSU. Der Sohn von Ayşe und İsmail Yozgat hatte kurz zuvor ein Internetcafé im Kasseler Stadtteil Nord-Holland eröffnet. Am Nachmittag des 6. April 2006 wurde er dort mit zwei gezielten Schüssen in den Kopf ermordet. Er wurde 21 Jahre alt.
Zur Tatzeit befand sich ein Mitarbeiter des hessischen Landesamts für Verfassungsschutz, Andreas Temme, im Internetcafé – der einzige bekannte Zeuge, der sich nicht bei der Polizei meldete. Er wurde in seinem Heimatort als Jugendlicher „Klein-Adolf“ genannt.1 Obwohl er nur Sekunden nach der Tat den Tatort verließ, wurde gegen ihn lediglich kurzzeitig ermittelt. Spätere Abhörprotokolle und Aussagen belegten widersprüchliches Verhalten und interne Absprachen, doch Konsequenzen für Temme oder die Behörde blieben aus. Ob Andreas Temme direkt in die Tat verwickelt war oder ob die Täter überhaupt am Tatort anwesend waren, bleibt unklar, auch, weil Temme durch seine Vorgesetzten und den Verfassungsschutz insgesamt abgeschirmt wurde. Als die Polizei das hessische Innenministerium bat, eine direkte Befragung von Temmes V-Leuten zu ermöglichen, verweigerte der damalige Innenminister und spätere Ministerpräsident Volker Bouffier die Zustimmung.
Wie bei den anderen NSU-Morden richteten sich die Ermittlungen nicht gegen ein rechtsextremes Täterumfeld, sondern gegen das Opfer selbst und sein soziales Umfeld. Halits Angehörige wurden wiederholt verhört, verdächtigt und stigmatisiert. HDie ab 2005 eingesetzte BAO Bosporus suchte zunächst vor allem nach Verbindungen zwischen den Opfern und ermittelte schwerpunktmäßig im Milieu von Waffen- und Drogenhandel sowie Spielschulden. Ein von Profiler Alexander Horn erstelltes Gutachten, das ein rassistisches Tatmotiv vermutete, wurde intern abgelehnt und hatte keine Folgen für die Ermittlungen.2
İsmail Yozgat, Halits Vater, widersprach dieser Täter-Opfer-Umkehr von Beginn an. In bewegenden Reden bei Demonstrationen – etwa unter dem Motto „Kein 10. Opfer“ – machte er die Perspektive der Hinterbliebenen sichtbar. Gemeinsam mit Angehörigen anderer Opfer forderte er öffentlich Aufklärung, Anerkennung und Gerechtigkeit.
Halit Yozgats Tod steht exemplarisch für das institutionelle Versagen deutscher Sicherheitsbehörden im Umgang mit rechter Gewalt.
In der Schwertstraße auf dem Gelände des Gymnasiums an der Schwertstraße, erinnert ein Sanddornbaum an Halit Yozgat.
- Lohr, Matthias: Mordfall Lübcke: Ex-Verfassungsschützer Temme sagt über Stephan Ernst aus; in: HNA.de, 20.07.2022. ↩︎
- Schreyl, Marco: Der Spurenleser Alexander Horn; in: DeutschlandFunk, 14. Oktober 2024, 09:05 Uhr. ↩︎
